HEMPELS Verkäufer im Café

20 Jahre Kieler Tafel

Seit 20 Jahren besteht die Kieler Tafel. Rund 3.800 Menschen aus Kiel und Umgebung werden mittlerweile mit Lebensmitteln versorgt. Grund zur Freude für das Engagement, Grund zur Sorge wegen der zunehmenden Bedürftigkeit.

Ein Dienstag wie jeder andere in Kronshagen: Vor der Ausgabestelle der Kieler Tafel in der Kronshagener Christus-Gemeinde steht eine mittelgroße Menschenmenge. Die Frauen und Männer haben alle eine Nummer erhalten und warten geduldig, bis sie an der Reihe sind, den kleinen Raum zu betreten. Die ersten haben sich bereits an den langen Tischen ihre Lebensmittel ausgewählt: Brot, frisches Obst und Gemüse und weitere Esswaren. Ganz in der Nähe biegt gerade ein Transporter der Kieler Tafel auf die Zufahrt zum Discounter in der Kieler Straße ein. Der Fahrer hält an der Lieferantenrampe und lädt mit seiner Kollegin Lebensmittel auf. Sie werden ins Depot gebracht, dort sortiert und an die Ausgabestellen im Stadtgebiet verteilt.

Rund 115 Unternehmen aus Kiel und Umgebung aus dem Lebensmittelbereich spenden täglich etwa zweieinhalb Tonnen Lebensmittel an die Kieler Tafel, andere helfen mit Service- und Sachleistungen. Rund 200 Frauen und Männer arbeiten ehrenamtlich in der Lebensmittelsammlung, -sichtung und -ausgabe sowie weiteren Tätigkeiten; dabei werden sie von Ein-Euro-Kräften unterstützt. Etwa 2.000 Haushalten, also rund 3.800 Personen, wird laut Aussage der Kieler Tafel über sechs Ausgabestellen und den TafelLaden geholfen. Jeder Kunde holt dort durchschnittlich jede zweite Woche Lebensmittel. Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Erwachsenen und Kindern in 30 sozialen Einrichtungen. Auch HEMELS wird von der Kieler Tafel unterstützt.

Vor 20 Jahren hat man sich noch nicht vorstellen können, welche Ausmaße die Bürgerinitiative einmal annehmen würde. Mit einem Hilferuf der Heilsarmee fing alles an. Diese hatte Kontakt zu Großküchen, Restaurants und Bäckereien und gab deren überzählige Nahrungsmittel an hungrige Esser in sozialen Einrichtungen weiter. Als ihr die Sache über den Kopf wuchs, startete sie einen Hilferuf – und dieser wurde von Fernmeldetechniker Bernhard Köhler erhört. Er sammelte Gleichgesinnte um sich und gründete mit ihnen am 7. Januar 1995 den Verein Kieler Tafel e.V. nach dem Vorbild bestehender Tafeln in den USA, in Berlin und Hamburg. Die ersten Lebensmittelspenden holten die Helfer selber ab und lieferten sie direkt bei den kirchlichen Einrichtungen, bei der Heilsarmee oder den Obdachlosen ab. Ein Jahr später wurde die erste Ausgabestelle in Mettenhof eröffnet. Ausgabestellen gibt es heute in Mettenhof, Kronshagen Elmschenhagen, Friedrichsort und Flintbek sowie den TafelLaden in Gaarden.

„Es ist schön, dass sich so viele Menschen angesprochen fühlen, den Mangel zu lindern“, so Barbara Kotte, Sprecherin des Vorstandsteams. Auf der anderen Seite sei es traurig, dass die Bitten um Lebensmittelspenden inzwischen notwendiger denn je seien. Es vergehe kein Tag ohne Neuanmeldungen, bei denen die Menschen hofften, ein nahrhaftes Zubrot zu bekommen. Wer bedürftig ist, also ein geringes Einkommen, Rente, Sozialgeld oder ALG II nachweisen kann, kann gegen eine Spende von 1 € (Großfamilien ab fünf Personen 2 €) einmal wöchentlich kostenlos Lebensmittel erhalten. Einen Anspruch darauf hat man allerdings nicht. In Schleswig-Holstein gibt es aktuell 56 Tafeln, darunter in Eckernförde, Flensburg, Heide, Husum, Kiel, Lübeck, Rendsburg, Schleswig. In ganz Deutschland sind es mehr als 900 Tafeln mit über 3.000 Tafel-Läden und Ausgabestellen.

Text und Fotos: Hilke Ohrt

Lebensmittel einsammeln und ausgeben: Die Kieler Tafel ist auch in Kronshagen aktiv.