HEMPELS Verkäufer im Café

Fensterblicke: Begegnungen im Vicelinviertel

Bei einem Spaziergang durch das Vicelin-Viertel in der Neumünsteraner Innenstadt können Passanten seit Neuestem das ungewöhnliches Fotoprojekt der HEMPELS-Fotografin Heidi Krautwald betrachten. Auf 14 großflächigen Plakaten blicken ihnen Menschen in ungewöhnlichen Posen entgegen.

Im Vicelinviertel in Neumünster ist der Sanierungsbedarf groß. Mit einem ungewöhnlichen Fotoprojekt soll die Identifikation der Bewohner mit dem Stadtteil erhöht werden.

Leben in den Leerstand zu bringen, ist die Intention des ungewöhnlichen Projektes im innenstadtnahem Vicelinviertel in Neumünster. Teilweise seit mehreren Jahren stehen dort in etlichen Gebäuden Geschäftsräume leer, die verwaisten Schaufenster wirken wenig einladend. Ab Mitte November werden in den Fenstern mehrerer Gebäude großflächige Fotoinstallationen angebracht, erstellt von HEMPELS-Fotografin Heidi Krautwald. Träger des Projekts ist der mit dem Quartiermanagment beauftragte Verein Soliton gemeinsam mit dem Kulturbüro Neumünster.

Die Aufnahmen zeigen gewöhnliche Menschen in ungewöhnlichen Begegnungen und Posen, die über das Alltägliche hinausgehen. „Wir möchten, dass Nachbarn und Passanten vor den Fotografien stehenbleiben und über die Installationen miteinander ins Gespräch kommen“, sagt Krautwald.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sie im Kieler Stadtteil Gaarden ein ähnliches Projekt verwirklicht. Dort war an einer Hausfront im Karlstal dauerhaft eine 35 Meter breite Fotoinstallation befestigt worden, die 60 Frauen, Männer und Kinder aus dem Stadtteil bei einem Nachbarschaftsfest zeigt. In Neumünster hat Krautwald für das Projekt rund 30 jüngere wie ältere Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gewonnen, die im Vicelinviertel leben oder arbeiten.

„Die Bereitschaft der Menschen war groß, an dem Projekt mitzuwirken“, so die Fotokünstlerin, „es ist ihr Stadtteil, und sie haben ein Interesse daran, die bunte und vielschichtige Lebenswirklichkeit ihres Zuhauses zu spiegeln.“ Die Gymnyatik- und Tanzlehrerin Katarina Jenikova, die neben ihren Töchtern auch eine vierjährige Ballettschülerin und ihre im Rollstuhl sitzende Schwägerin Gabi zu den Fotoaufnahmen mitgebracht hatte, ist beeindruckt von dem Gemeinschaftsprojekt: „Die Fotos sind auch für meine gehandicapte Schwägerin eine Möglichkeit, wieder am öffentlichen Leben teilzuhaben“, sagt Katarina Jenikova.

„Begegnungen im Vicelinviertel“, so der Name des Projektes, ist als dauerhafte Installation während der Leerstandzeit angelegt. Zudem ist eine zusätzliche Ausstellung am Sitz des Quartiermanagements im Bildungszentrum in der Kieler Straße 90 geplant. „Wir wollen mit dem Projekt die Identifikation aller Bewohner mit ihrem Viertel erhöhen und das Image des Stadtteils verbessern“, sagt Alexander Kühn vom Trägerverein Soliton. Die Optik von Gebäuden spiele bei der Verbesserung des Viertels eine Rolle.

Die Geschichte des Stadtteils ist typisch auch für viele Viertel in anderen Städten: Um 1900 aus dem Boden geschossen, prägt heute Miethausbebauung mit kleinen Gewerbebetrieben und Geschäften das Gebiet. Dazu wenig Frei- und Grünflächen und ein hohes Verkehrsaufkommen. In Vicelin – Neumünsters Stadtteil mit der jüngsten Altersstruktur – leben knapp 4.000 Menschen aus mindestens 20 Nationen, vor allem sozial Benachteiligte, alleinerziehende Mütter, Migranten und Jugendliche ohne große Perspektiven.

„Begegnungen im Vicelinviertel“ ist ein Projekt aus dem Stadtteilfond im Rahmen der Quartiersentwicklung. „Wir haben bereits einen Erfolg in Zusammenhang mit dem Fotoprojekt zu verzeichnen. Ein Teilnehmer war auf der Suche nach Räumlichkeiten und wurde angeregt, sie hier zu mieten“, sagt Kühn. Und so kehrt in einen leerstehenden ehemailgen Callshop in der Vicelinstraße erneut Leben ein: mit einem Café zum interkulturellen Dialog und zur Nachbarschaftshilfe.

Nähere Infos im Internet: www.qm-vicelinviertel.de

Text: Hilke Ohrt
Fotos: Heidi Krautwald

Ein leerstehender Laden in der Christianstraße 59

Die ehemaligen Läden in der Christianstraße 39 dienen als Lagerräume, die Fenster waren verklebt.

Hinter der Fotoinstallation in der Christianstr 68 verbirgt sich ein zurzeit zugestelltes, ungenutzes Fenster einer Teestube.

In der Anscharstraße 19 war vor vielen Jahren eine Fleischerei ansässig.