Hilfe zum Lebensunterhalt darf nicht so einfach versagt werden

Wirkt ein Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL) nach dem SGB XII bei seiner Rentenantragstellung nicht hinreichend mit oder weist diese dem Sozialleistungsträger nicht genügend nach, so darf dieser die Leistungen der HzL dennoch nicht – auch nicht teilweise – versagen.

Der Fall: Die Stadt Kiel als Sozialleistungsträger hatte einen Bezieher aufgefordert, seinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) weiter zu verfolgen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Als dies nicht geschah, kürzte die Stadt die Regelleistungen um die Hälfte. Rechtswidrig, entschied das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in zweiter Instanz unter Aufhebung der Vorentscheidung des Sozialgerichts Kiel. Entgegen der Auffassung des SG Kiel lässt sich die Teilversagung nicht auf § 66 Abs. 1 SGB I stützen. Soweit der Hilfebedürftige im Rahmen seiner Rentenantragstellung nicht hinreichend gegenüber der DRV mitgewirkt haben sollte, würde dies lediglich die DRV ermächtigen, Rentenleistungen zu versagen, nicht aber die Stadt Kiel, die Leistungen der HzL teilweise einzustellen. Außerdem, kurz gefasst: Die Mitwirkungshandlungen gegenüber der DRV sind nicht im engeren Sinne leistungsrelevant für den Anspruch auf HzL des Hilfebedürftigen. Und: Die Ablehnung vorrangiger Leistungen wie einer Erwerbsminderungsrente ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für einen Leistungsanspruch auf HzL. (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.04.2017, L 9 SO 48/20 B ER)

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