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Dopingexperte Hajo Seppelt: "Man muss im Fußball Fragen stellen"

Radsport, Wintersport, Leichtathletik – immer wieder nehmen Profis verbotene Mittel und Substanzen, um ihre Leistung zu steigern. Nur im Fußball hört man selten von Missbrauch. Gibt es im Fußball kein Doping? Ein Interview mit dem ARD-Dopingexperten Hajo Seppelt

INTERVIEW: SYLVIA RIZVI

Fußball ist eine Mannschaftssportart, bei der eine Elf die besten Ergebnisse erzielt, wenn sie gut zusammenspielt und Übersicht hat. Inwiefern würde Doping im Fußball überhaupt Sinn machen?


Doping kann im Fußball eine Menge Sinn machen, weil Technik und Koordinationsfähigkeiten vor allem dann besser sind, wenn genügend Ausdauer und Kraft vorhanden sind, um diese in entscheidenden Situationen abrufen zu können. Doping würde dazu beitragen, dass durch eine bessere physische Verfassung die Sportler in der Lage sind, entsprechende Fertigkeiten am Ball besonders in anstrengenden Situationen immer noch zu erbringen. Daran besteht kein Zweifel. Wäre es anders, hätte es die auffällige Zahl von Dopingfällen in den letzten zwei Jahrzehnten nicht gegeben.

Welche Mittel kommen heute im Allgemeinen zum Einsatz und wie wirken sie?

Dazu liegen momentan keine ausreichenden Erkenntnisse vor. Ich kann aber sagen, dass in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem Epo eine große Rolle gespielt hat. Wenn man an die großen Skandale von Olympique Marseille und Juventus Turin denkt. Außerdem gab es im Fußball verschiedenste andere Substanzen, die gefunden wurden, von Anabolika bis Stimulanzien, aber keine auffällige Häufung einer einzelnen bestimmten Substanz.

Die russische Nationalmannschaft steht unter Dopingverdacht, weltweit gibt es verdächtige Proben. Wie ist der neueste Stand?

Es ist unzweifelhaft, dass man Fragen stellen muss im Fußball. In Russland wurden laut Report des Sonderermittlers McLaren Fußballer vor Dopingkontrollen geschützt und mit Dopingmitteln versorgt. International fällt generell zudem auf: Der Fußball ist in den letzten 30, 40 Jahren vom Rasenschach zum hochathletischen Sport mutiert. Wer sich Spiele aus den 1970er Jahren anschaut, dem scheinen sie wie Slow Motion. Dass dies mit der Professionalisierung des Fußballs zu tun hat, ist eine Erklärung. Zu diskutieren ist aber auch eine andere: Wenn Spieler früher zwei bis fünf Kilometer pro Spiel gelaufen sind und heute zehn und mehr, dann könnte es auch daran liegen, dass man Dopingmittel eingesetzt hat. Das ist ja genau so in Italien in extenso passiert, und auch in Spanien stellen sich in diesem Zusammenhang ganz, ganz viele Fragen. Beispielhaft steht da der noch immer ungeklärte Fall des Dopingdoktors Fuentes, der auch mit Fußballern in Verbindung stand.

Haben auch deutsche Fußballer gedopt?

In der Bundesliga gab es immer wieder vereinzelt Fälle. Dass nicht so viele aufgedeckt worden sind, kann schon daran liegen, dass man hierzulande zumindest heutzutage vorsichtiger ist. Die öffentliche Debatte über Doping generell wird vergleichsweise sehr offensiv geführt. Wer mit Doping erwischt wird, riskiert viel – auch und gerade einen Reputationsverlust.

Warum hört man so wenig von Doping im Fußball?

Es spielt sicher eine Rolle, dass die meisten Journalisten im Fußball nicht sonderlich dafür bekannt sind, Hintergründe von Leistungen kritisch zu hinterfragen. Die weit überwiegende Zahl beschränkt sich mehr oder minder auf die Fokussierung auf ein Sportereignis und dessen dramaturgischen Unterhaltungswert. Wir haben daher eine am Entertainment orientierte Berichterstattung. Kritische Berichte sind eher die Ausnahme als die Regel. Zu den Ausnahmen gehört der Kollege Thomas Kistner von der Süddeutschen Zeitung. Er hat sich des Themas intensiv angenommen. Auf der Internet-Seite Fußballdoping.de beschäftigen sich Kollegen wie Jonathan Sachse immer wieder mit der Thematik. Im ARD-Hörfunk hat Lorenz Rollhäuser dazu intensiver recherchiert. Manche fragen, warum wir, die ARD-Dopingredaktion, das angeblich nicht machen würden. Das stimmt natürlich nicht – wir machen das auch, aber wir haben noch nicht genügend Recherche-Ergebnisse, die so profund sind, dass wir damit an die Öffentlichkeit gehen könnten. Abgesehen davon ist die Zahl der investigativen Sportjournalisten generell nicht gerade groß.

Welche Vorkehrungen werden bei der WM gegen Doping getroffen – und reichen sie?

Das kann ich nicht einschätzen, ob die reichen. Wer bei einem Sportereignis selbst dopt, muss ohnehin mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Denn da ist die Chance, kontrolliert zu werden, natürlich recht hoch. Das ist ungefähr so, als würde man sich alkoholisiert vor einer Polizeiwache ans Steuer setzen. Es werden ja auch bei Großereignissen wie den Olympischen Spielen im Schnitt wenige Dopingfälle aktenkundig. Wer dopt, der tut es in der Vorbereitungsphase. Die Gefahr, kontrolliert zu werden, ist dann geringer. Das Netz von Dopingkontrollen im Fußball ist inzwischen dichter. Wenn es aber in der deutschen Fußballregionalliga ein massives Defizit an Dopingkontrollen gibt, dann darf man sich nicht wundern, wenn solche Schlupflöcher auch ausgenutzt werden. Was die WM in Russland betrifft: Es ist ja aktenkundig, dass es Doping im russischen Fußball nicht zu knapp gegeben hat. Insofern wird uns das Thema vor der WM sicherlich noch begleiten. Man wird sehen, wie Russland und der Fußball-Weltverband FIFA mit dem McLaren-Report umgehen.

Der Journalist und Autor Hajo Seppelt recherchiert und berichtet seit 1997 regelmäßig für alle Anstalten der ARD über sportpolitische Themen. Er gilt als ausgewiesener Experte für die Dopingproblematik im deutschen und internationalen Sport. Das Interview haben wir mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Straßenzeitung Trott-war entnommen.

Dopingexperte Hajo Seppelt im Stadion. (Foto: Redaktionsbüro Hajo Seppelt)