ALG II: Leistungsberechtigte müssen sicherstellen, dass Zahlungen sie auch erreichen

ALG II, das vom Jobcenter auf das im ALG-II-Antrag angegebene Girokonto überwiesen worden ist, ist dem Leistungsberechtigen wirksam erbracht worden, auch wenn dieser tatsächlich keinen Zugriff auf die ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen hatte. Geklagt hatte eine 17-jährige Bezieherin, die bei ihrem Stiefvater lebte und noch über kein eigenes Girokonto verfügte. Ihre Grundsicherungsleistung sowie jene des Stiefvaters überwies das Jobcenter Segeberg auf das Girokonto des Stiefvaters. Zum 1.10.2020 zog die Klägerin nach Kiel, um dort eine Ausbildung zu beginnen. Am 23.10.2020 verstarb der Stiefvater. Auf ihren am 29.10.2020 in Kiel gestellten ALG-II-Antrag bewilligte das Jobcenter Kiel der Klägerin für den Zeitraum 23.10.2020 bis 30.09.2021 ALG II unter Anrechnung der vom Jobcenter Segeberg für sie für den Zeitraum 23.10.2020 bis 30.11.2021 auf das Konto des Stiefvaters gezahlten Regelleistungen, auf die sie keinen Zugriff mehr hatte.

Im Widerspruchs- und anschließenden Klageverfahren begehrte die Klägerin vom Jobcenter Kiel die Auszahlung des vollen Regelbedarfs für die Monate Oktober und November 2020 ohne Anrechnung der für sie vom Jobcenter Segeberg auf das Konto des Stiefvaters bezahlten Regelleistungen. Sie berief sich darauf, dass für den Eintritt der Erfüllung ihres ALG-II-Anspruches durch das Jobcenter Segeberg auf ein Konto hätte überwiesen werden müssen, auf welches sie tatsächlich auch Zugriff hat. Andernfalls sei ihr Existenzminimum tatsächlich nicht sichergestellt. Dem folgte das Sozialgericht Kiel nicht. Es falle in die Eigenverantwortung des Leistungsberechtigten, sicherzustellen, dass die Leistungen des Jobcenters so ausgezahlt werden, dass diese ihn auch tatsächlich erreichen. (Sozialgericht Kiel, Urteil vom 8.9.2022, S 31 AS 10161/21)

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