HEMPELS Verkäufer im Café

Das soziale Potenzial nutzen

Wie mit treuhänderischer Geldverwaltung und eigenem Wohnraum geholfen wird

TEXT: ISABELLE BERGMANN

Hinter der Zeitung HEMPELS stehen gleich mehrere weitere umfangreiche Projekte. Neben der Hilfe, die in den Trinkräumen geboten wird, sollen prekär lebende Menschen auch in alltäglichen Angelegenheiten unterstützt werden. Mit der Gründung eines eigenen Sozialdienstes und des Projekts "HEMPELS hilft wohnen" will der Verein Betroffene nicht nur bei der Bewältigung des bürokratischen Alltagsdschungels unterstützen, sondern setzt sich auch gezielt für die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit ein.

Mit den Menschen in Kontakt zu bleiben ist das Wichtigste: Das Café "Zum Sofa" und die 2003 und 2010 eingerichteten Trinkräume entwickelten sich in Kiel schnell zu einer Begegnungsstätte zwischen Zeitungsverkäufer*innen, Mitarbeiter*innen und Besucher*innen von HEMPELS. An genau diesen Orten kamen auch immer wieder private Probleme zur Sprache. Laut Catharina Paulsen, Vorstandsmitglied bei HEMPELS, vertrauen sich in diesen geschützten Räumen die Betroffenen den "in der Szene bekannten" Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich lieber und schneller an, als es auf der offenen Straße der Fall war und ist. Angesichts von vielen geschilderten emotionalen und privaten Problemen entstand bei HEMPELS die Idee, in Kiel weitere Hilfsangebote ins Leben zu rufen.

Eines davon ist der 2008 entstandene Sozialdienst. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern sollten die Angebote ausgeweitet werden. HEMPELS sollte aber weiterhin als vertrauenswürdige Anlaufstelle bestehen bleiben. Die Bedürftigen können sich selbst an HEMPELS wenden oder werden direkt angesprochen. Trotzdem soll niemandem die Hilfe aufgezwungen werden und diese auch wirklich gewollt sein.

Im Rahmen dieses Dienstes begann man unter anderem, die Menschen bei der Beschaffung wichtiger Papiere wie dem Personalausweis zu unterstützen. Da es neben diesem Aspekt am häufigsten um finanzielle Sorgen ging, entstand eine Treuhänderische Geldverwaltung. Paulsen schildert Situationen, in denen zuvor das Geld vom Job-Center als Scheck per Post kam und Betroffenen aus den Briefkästen entwendet wurde. Der Sozialdienst bemühte sich als Reaktion darauf um die Einrichtung von privaten Konten oder die Auszahlung des Geldes über HEMPELS selbst. Die Angebote werden häufig und gerne angenommen, sodass mehreren Personen beim Umgang mit ihrem Geld geholfen und damit eine stabilere finanzielle Lebenssituation ermöglicht werden konnte.

Anfangs arbeitete der Sozialdienst auch mit dem Kieler Job-Center zusammen, dort erwartete man aber von HEMPELS einen Umgang mit den Betroffenen im Stil von "Fördern-und-Fordern", so Paulsen. Es sollte mehr und höhere Auflagen für die Klient*innen geben und eine umfangreichere Eigenbeteiligung von ihnen erwartet werden. Das Projekt wurde von HEMPELS in Eigenregie fortgeführt. 2020 sah sich der Sozialdienst dann einer Gesetzesänderung gegenüber, nach der man nur noch maximal 25 Personen in der Treuhänderischen Geldverwaltung betreuen durfte. Dementsprechend konnte dieses Angebot nur noch an weniger Menschen gemacht werden. Damit brach eines der vielen Projekte von HEMPELS teilweise ein. Außerdem verlor man zu einigen betroffenen Personen den Kontakt, die man nicht mehr treuhänderisch unterstützen durfte, so Paulsen.

Während man also immer noch an der sozialen Betreuung feilte, entstand zusätzlich die Idee, sich in Kiel um Wohnraum für Betroffene zu bemühen. Zielgruppe sollten hier Menschen sein, die beispielsweise einen negativen Schufa-Eintrag haben und dadurch kaum Chancen auf eine Wohnung. HEMPELS machte es sich zum Ziel, eigene Wohnflächen zu erwerben. Vorstandsmitglied Lutz Regenberg beschreibt dieses Vorhaben als "Housing First": Die Idee dahinter ist, Menschen ohne Vorbedingungen aus der Wohnungslosigkeit zu holen. Das habe für HEMPELS höchste Priorität, damit dann parallel auch andere Probleme in Angriff genommen werden können. Den Wohnungslosen solle zuerst ein Stück Sicherheit und Stabilität zurückgegeben werden.

Mit Hilfe von Zustiftungen gelang 2017 der Kauf eines Hauses in Kiel. Das Projekt trägt den Namen "HEMPELS hilft wohnen". Zwölf Wohnungen, damals renovierungsbedürftig, gehören der gleichnamigen HEMPELS-Stiftung. Für die Hausverwaltung ist der Verein HEMPELS e. V. zuständig. Mit dem Erwerb der ersten Immobilie war klar, dass perspektivisch weitere Häuser gekauft werden sollen. Städte wie Schleswig und Husum haben inzwischen ebenfalls Interesse an einem solchen Projekt bekundet und befinden sich teilweise schon in der planerischen Umsetzung. HEMPELS großer sozialer Einfluss reicht hier bereits deutlich über die Grenzen Kiels hinaus.

Das Projekt "HEMPELS hilft wohnen" soll nicht nur ausgebaut werden, sondern auch wieder Kontaktpunkte schaffen, um weiterhin mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und Hilfestellungen leisten zu können. Denn das Ziel von allen HEMPELS-Projekten ist und bleibt das Schaffen von Perspektiven, auch hinter den Kulissen und immer im engen Austausch mit den Hilfesuchenden. Jedes einzelne der Konzepte soll weiter vorangetrieben werden und Impulse an andere senden, um soziale Angebote weiterzuentwickeln und bei jedem Problem auch den Menschen dahinter nicht zu vergessen.

Studierende der Kieler Christian-Albrechts-Universität haben im Sommersemester 2021 die bis dahin 25-jährige Geschichte von HEMPELS untersucht. Das Projektseminar am Historischen Institut leitete Professor Dr. Oliver Auge. Die Studierenden haben Unterlagen in HEMPELS-Archiven gesichtet, Interviews geführt – und ihre Ergebnisse in Artikeln wie diesem zusammengefasst.