Anspruch auf Umschulung trotz Ermessen der Behörde

Im Einzelfall können Versicherte einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – hier in Form einer Umschulung zur Heilpraktikerin – haben, auch wenn die Leistungsgewährung im Ermessen der Behörde steht. Voraussetzung hierfür ist, dass aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls die begehrte Umschulung die einzige richtige Entscheidung ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null). Geklagt hatte eine Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründen in ihrem erlernten Tischlerberuf nicht mehr arbeiten konnte und deswegen bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine Umschulung zur Heilpraktikerin beantragt hatte.

Die DRV lehnte die Kostenübernahme für die begehrte Umschulung ab, weil sie keine positive Rehabilitationsprognose abgeben wollte: Die Versicherte könne aus gesundheitlichen Gründen auch nicht als Heilpraktikerin arbeiten, da ihre Arme und Hände nicht hinreichend belastbar seien und sie aufgrund der psychischen Überlastung im bisherigen Tischlerberuf auch für den Beruf der Heilpraktikerin nicht geeignet sei. Beide Annahmen konnten von den gerichtlichen Sachverständigen nicht objektiviert werden. Da die DRV ihrer Versicherten zudem keinerlei Alternativen für eine andere Umschulung aufgezeigt hatte, wurde sie antragsgemäß verurteilt, diese auf ihre Kosten zur Heilpraktikerin umzuschulen. (Sozialgericht Schleswig, Gerichtsbescheid vom 23.09.2019, S 21 R 221/17)

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