Bürgergeld: Abschluss eines Mietvertrages über bereits bewohnte Wohnung ist kein Umzug

Schließt eine Bürgergeldbezieherin einen Mietvertrag über eine Wohnung, die sie schon zuvor als Mitbewohnerin einer WG bewohnt hat, benötigt sie vor Abschluss dieses Mietvertrags weder die Zusicherung der Kostenübernahme durch das Jobcenter noch kann das Jobcenter die Leistungen auf die Kosten ihres bisherigen WG-Zimmers deckeln. Das Jobcenter muss vielmehr auch zu hohe Mietkosten jedenfalls für einen gewissen Zeitraum übernehmen.

Die Bürgergeldbezieherin hatte ein Zimmer in einer 57,45 m2 großen Wohnung zusammen mit einem Mitbewohner bewohnt. Beide waren Hauptmieter. Nach Auszug des Mitbewohners schloss die Bürgergeldbezieherin einen Mietvertrag über die gesamte Wohnung ab. Das Jobcenter Kiel erkannte daraufhin nur noch Unterkunftskosten in Höhe der Mietobergrenze für einen Einpersonenhaushalt von gegenwärtig 397,00 Euro bruttokalt an. Begründung: Die Bürgergeldbezieherin habe die Wohnung ohne erforderliche Kostenzusicherung des Jobcenters angemietet. Die Bürgergeldbezieherin sei auch in eine neue Wohnung umgezogen, denn sie habe einen Raum dazu erhalten, in dem vorher ihr Mitbewohner lebte.

Das Sozialgericht Kiel verpflichtete das Jobcenter Kiel, die vollen Mietkosten zu übernehmen. Denn die Bürgergeldbezieherin sei nicht "umgezogen". Dies setze eine räumliche Veränderung voraus, die hier gerade nicht vorgelegen habe. Es sei auch kein Mietvertrag über eine "neue Unterkunft" abgeschlossen worden, denn die Möglichkeit zur Nutzung eines weiteren Raumes mache die Wohnung nicht zu einer neuen Unterkunft. Auch eine Deckelung auf die bisherigen Kosten des WG-Zimmers nach § 22 Abs. 1 Satz 6 SGB II komme mangels Umzugs nicht in Betracht, wobei auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift ausscheide. (SG Kiel, Beschluss vom 24.03.2023, S 39 AS 9/23 ER)

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