Widerspruchsbelehrung muss auf elektronische Einlegungsmöglichkeit hinweisen

Die Rechtsbehelfsbelehrungen in den Bescheiden der Jobcenter sind unvollständig, wenn in diesen – wie derzeit noch üblich – nicht auch über die Möglichkeit belehrt wird, den Widerspruch auch selbst auf elektronischem Wege einlegen zu können – und nicht nur über einen Rechtsanwalt. Aufgrund einer solchen Unrichtigkeit kann der Widerspruch anstatt innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 SGG noch innerhalb der Frist von einem Jahr erhoben werden.

Hintergrund: Das verpflichtete Jobcenter Kiel nimmt seit Januar 2018 am elektronischen Rechtsverkehr mittels elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) teil. Für Privatpersonen besteht deswegen die Möglichkeit, eine elektronische Signaturkarte bei der Bundesnotarkammer zu erwerben und das elektronische Behördenpostfach des Jobcenters Kiel zu nutzen. Für ALG-II-Empfänger bedeutet das nicht nur in Kiel: Sie können noch ein Jahr nach Zugang eines Bescheides Widerspruch einlegen. Der hat – anders als ein Überprüfungsantrag, für den längere Fristen gelten – »aufschiebende Wirkung«. Bei Erstattungsbescheiden hat dies etwa zur Folge, dass Rückforderungsbeträge bis zu einer abschließenden rechtlichen Klärung nicht bezahlt und schon eingeleitete Mahn- und Vollstreckungsverfahren ausgesetzt werden müssen. Auch ist für Widerspruchsverfahren – anders als für Überprüfungsanträge – von den Amtsgerichten nach Rechtsprechung des BVerfG stets Beratungshilfe zu gewähren – was wichtig ist, um nicht auf den Anwaltskosten sitzen zu bleiben, sollte ein Widerspruch nicht begründet sein. (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.05.2021, L 6 AS 64/21 B ER)

Wir veröffentlichen jeden Monat ein Urteil, das für Bezieher von Hartz IV und anderen Sozialleistungen von Bedeutung ist. Unsere Servicerubrik entsteht in Zusammenarbeit mit dem Experten für Sozialrecht Helge Hildebrandt, Rechtsanwalt in Kiel.