Im Sommer bleiben viele leere Glasflaschen einfach draußen liegen. Sie bringen nur acht Cent Pfand, auch für Pfandsammler zu wenig. Jetzt fordert die bundesweite Initiative "Pfand gehört daneben" ein einheitliches System. Vorbild ist Österreich
TEXT: EVELYN SANDER (EPD)
Nach einem sonnigen Wochenende hat die Stadtreinigung Hamburg in Parks, an der Elbe oder an Straßenrändern viel zu tun. Vor allem mit leeren Flaschen. Mehrweg-Glasflaschen werden "zunehmend im öffentlichen Raum zurückgelassen", sagt eine Sprecherin der Stadtreinigung. Solche Flaschen haben einen Pfandwert von acht Cent, dagegen bringen Mehrweg-Saftflaschen bei der Rückgabe im Laden 15 Cent, Einweg-Flaschen und -Dosen 25 Cent.
"Die bestehenden Regelungen führen nicht nur zu Verwirrung, sondern auch zum Rückgang der Rückgabequote", beobachtet Mirco Wolf Wiegert, Gründer und Geschäftsführer von Fritz-Kola. Er fordert mit der Fritz-Kola-Initiative "Pfand gehört daneben" eine Neuauflage des deutschen Pfandsystems. "Vor allem für Glasmehrwegflaschen muss der Pfand erhöht werden", sagt der 50-Jährige.
Damit stößt die Initiative auf breite Zustimmung in der Gesellschaft: Eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung wünscht sich ein gerechteres und einfacheres System, ergab die repräsentative Pfandstudie des Meinungsforschungsinstituts "YouGov" im Auftrag von Fritz-Kola. 70 Prozent der Bevölkerung und 75 Prozent der Pfandsammler sprechen sich darin für einen einheitlichen Pfandbetrag für Flaschen und Dosen aus.
"Das Pfandsystem wurde eingeführt, um Ressourcen zu schonen, Müll zu vermeiden und Kreisläufe zu schließen. Mittlerweile erkennen wir, dass es gerade beim Glasmehrweg zu kurz greift", sagt Wiegert. Acht Cent Pfand für Glasflaschen sei bei heutigen Preisen kein Wert mehr, "auch für arme Menschen nicht".
Aktuell würden sich pfandsammelnde Menschen auf Dosen und PET-Flaschen mit einem Pfandwert von 25 Cent konzentrieren – knapp ein Drittel (29 Prozent) der Sammler bevorzugen diese wegen des höheren Ertrags und geringeren Gewichts. Eine Anhebung des Pfandsatzes auf Glasmehrwegflaschen könne dies ändern. Mehr als die Hälfte der befragten Pfandsammler (51 Prozent) würde bei einer Erhöhung gezielter Glasflaschen sammeln.
Die Erhöhung und Vereinheitlichung der Pfandbeträge könne damit die Rückgabequoten steigern, die Umwelt schonen und auch die soziale Ungleichheit im Kleinen abfedern. Laut Fritz-Kola-Studie gibt es in Deutschland hochgerechnet rund eine Million aktive Pfandsammlerinnen und -sammler – etwas weniger als im Vorjahr.
Pfandsammeln lohne sich weniger: Gaben im Vorjahr 48 Prozent der Befragten an, damit monatlich unter 50 Euro zu verdienen, sind es in diesem Jahr 58 Prozent. Wiegert: "Ein höherer Glaspfand würde ihr Einkommen verbessern."
Pfandsammeln sei für viele Menschen ein wichtiger Teil des Überlebens. "Das sollten wir anerkennen und politisch ernst nehmen", sagt der Fritz-Kola-Gründer, der zu mehr Solidarität mit Pfandsammlern aufruft. "Es ist an der Zeit, Pfandsammlern mehr Wertschätzung und gesellschaftlichen Rückhalt zu geben", betont Wiegert.
Österreich ist bei diesem Thema schon weiter: Nach der Einführung des 25-Cent-Einheitspfands für alle Dosen und PET-Flaschen im Januar wurde erstmals seit 40 Jahren im Februar auch der Pfand für Glasflaschen von neun auf 20 Cent deutlich erhöht. Dazu zählten 0,5-Liter-Bierflaschen, aber auch Weißglasflaschen mit Schraubverschluss sowie viele 0,33-Liter-Flaschen, hieß es vom Verband der Brauereien Österreich.
Um das Thema in Deutschland voranzubringen, führt Wiegert im Moment Gespräche mit der Getränkeindustrie. Im September will er sich an die Politik wenden. "Wenn wir den Kurs nicht ändern, stirbt das Mehrweg-Modell vielleicht schon in fünf Jahren", befürchtet er.
Die Aktion "Pfand gehört daneben" wirbt dafür, Pfandflaschen neben Abfalleimern abzustellen. Wiegert: "Jeder kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, bedürftige Menschen zu unterstützen und ihnen das mühsame Wühlen im Müll zu ersparen." Es gehe um mehr Anerkennung für Menschen, die oft übersehen werden. Die 2011 gegründete Initiative wurde 2015 von Fritz-Kola übernommen und hat mittlerweile über 150 Partner, darunter viele Getränkehersteller.