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Aktionstag gegen Kinderarmut in Dithmarschen

Ein schlecht ausgebauter öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV) und Defizite im Bildungssystem verstärken Kinderarmut auf dem Land. Das ist das Ergebnis eines Aktionstags gegen Kinderarmut gestern in Heide, an dem Vertreter der Diakonie, Politik, Verwaltung, Schule und Wissenschaft teilgenommen haben. Dithmarschen ist in Schleswig-Holstein der Landkreis mit der höchsten Kinderarmut. "Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben der Sozialpolitik, diesen Missstand aufzulösen", sagte der Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Dithmarschen Andreas Hamann.

Laut aktuellem Sozialbericht des Landes Schleswig-Holstein leben 17,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Kreis Dithmarschen von Transferleistungen, darunter zählt das Bürgergeld. Betroffene Eltern könnten keine bezahlbaren Wohnungen finden, sich keine Kinderkleidung leisten und müssten bei gesunden Lebensmitteln sparen, hieß es von der Diakonie.

Malva Abraham, Sozialberaterin beim Diakonischen Werk Dithmarschen, berichtete von Alleinerziehenden, die oft keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen können, weil sie für ihre Kinder keinen wohnortnahen Krippenplatz finden, es an schulischen Ganztagsangeboten fehlt oder sie sich für die Anfahrt zur Arbeit kein Auto leisten können.

"Darauf sind Familien zum Beispiel in den Kögen aber dringend angewiesen, weil dort kaum Busse fahren", so Abraham. Für die Kinder habe das zur Folge, dass sie außerschulische Angebote wie Sport oder Musikschule nicht wahrnehmen können. "Sie sind von der sozialen Teilhabe abgeschnitten."

Kinderarmut ist nicht nur ein Problem in Dithmarschen, sondern laut Sozialbericht auch in anderen ländlichen Regionen. Das Diakonische Werk Schleswig-Holstein sieht deshalb neben den Kreisen das Land in der Pflicht. Die Referentin für Armut beim Diakonischen Werk, Kathrin Kläschen, forderte den Ausbau des ÖPNV im ländlichen Bereich und die Einführung eines vergünstigten Tickets für Transferleistungsempfänger.

Es könne nicht sein, dass in vielen Dörfern nur ein oder zweimal pro Tag ein Bus fahre, den sich Betroffene nicht einmal leisten könnten, so Kläschen. Zudem benötigten Familien auf dem Land zusätzliche Kitaplätze mit Öffnungszeiten nach 14 Uhr und mehr Ganztagsschulangebote. Auch der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum sei auf dem Land gestiegen.

Der Professor für Armut und soziale Ungleichheit an der Fachhochschule Kiel, Kai Marquardsen, verwies auf die Langzeitfolgen von Kinderarmut. Nach wie vor sei es die Regel, dass Armut von einer Generation auf die nächste weitergegeben wird. "Unser Bildungssystem reproduziert noch immer soziale Ungleichheit, statt sie zu korrigieren", so Marquardsen. Kinderarmut zu bekämpfen, bedeute, Armut im Erwachsenenalter entgegenzuwirken.

EPD

Einen ÖPNV-Ausbau im ländlichen Bereich sowie vergünstigte Tickets für Transferleistungsempfänger – das fordert Kathrin Kläschen vom Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. (Symbolfoto: Pixabay)