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Chef der Bundesagentur für Arbeit über Geflüchtete auf Arbeitsmarkt

Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, über Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt

INTERVIEW: BIRGIT MÜLLER; FOTO: ANDREAS HORNOFF

Herr Scheele, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an fünf Jahre "Wir schaffen das!" denken?

Wir haben in der Tat einiges geschafft. Aber die ersten Monate, als ich als Hamburger Sozialsenator noch für die Unterbringung zuständig war, waren sehr aufregend. Weil wir am Ende doch den Parkplatz mit Zelten genommen hatten, was wir nie wollten. Ich erinnere mich noch an einen Besuch dort, und die Menschen lagen in dreistöckigen Betten in Zelten, und der ganze Parkplatz war nass. Das fühlte sich auf den ersten Blick nicht so an, als ob wir das schaffen würden.

Im selben Jahr sind Sie in den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit gewählt worden, deren Chef Sie seit 2017 sind.
Insbesondere im Bereich der jugendlichen Flüchtlinge haben wir am Arbeitsmarkt und bei den Ausbildungen eher einen Zugewinn als eine Belastung gehabt. Die Flüchtlinge haben dazu beigetragen, die Ausbildungsplatzlücke weiter zu schließen. Und vor allem im Um- und Angelerntenbereich haben wir zuletzt 360.000 Menschen aus den Hauptherkunftsländern in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Die haben niemandem einen Arbeitsplatz weggenommen, und wir hätten die Arbeitsplätze nicht besetzen können.

Gab es Probleme, die Sie anfangs unterschätzt haben?
Ich habe die positiven Aspekte auf dem Arbeitsmarkt erst mit der Zeit gesehen. Ich habe nicht gedacht, dass es uns gelingt, eine so große Zahl von Flüchtlingen nach den schleppenden Deutschkursen und den sehr schwierigen Fragen der Integrationskurse in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Gibt es noch eine große Baustelle?
Ehrlicherweise kann ich das zurzeit nicht sagen, weil die Corona-Krise alles überlagert. Am Arbeitsmarkt sind nicht nur Flüchtlinge, sondern generell Ausländer von der Krise am stärksten betroffen: Es sind häufig Männer, häufig ungelernt, oft in Zeitarbeitsfirmen, häufig in befristeten Jobs. Da ist auf jeden Fall ein Schaden eingetreten. Das liegt eben an der Kombination aus ungelernter Tätigkeit, aus Zeitarbeit und befristeten Verträgen.

Da ist es wohl auch schwierig, eine Prognose zu wagen?
Wir gehen davon aus, dass wir das Beschäftigungsniveau aus der Zeit vor Corona im übernächsten Jahr wieder erreichen können. Und dann werden wir die Menschen auch wieder brauchen. Daran hat sich nichts geändert. Die Chancen werden schon wiederkommen, aber kurzfristig und mit Blick auf den Winter und das erste Halbjahr nächsten Jahres eher nicht.

Gibt es etwas, was Sie bei diesem Thema besonders bewegt oder bewegt hat?
Was mich wirklich bewegt hat: Die staatlichen Einrichtungen haben etwas geschafft, die Landesregierungen, Kommunen. Aber in Wahrheit war es eine großartige Leistung der Zivilgesellschaft. Die wurde dann etwas überlagert durch die unsäglichen Töne rund um die AfD. Denn in Wahrheit hat sich das Land den Flüchtlingen gegenüber geöffnet – und wir hätten doch in den ersten Monaten gar nichts geschafft ohne die ehrenamtlichen Deutschkurse und ohne dass Freiwillige in die Unterkünfte gegangen wären und etwas für die Kinder getan hätten. Das war doch staatlicherseits gar nicht vorzubereiten in der Kürze der Zeit.

Mit Dank an Hinz&Kunzt / INSP.ngo

Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit.