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Diakonie: Wohnungslosigkeit erreicht neuen Höchststand in SH

Immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein sind nach Angaben der Diakonie von Wohnungslosigkeit bedroht. 2022 nahmen 8.844 Menschen die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein in Anspruch, gut 1.000 mehr als 2021. "Als ich diese Zahlen das erste Mal sah, habe ich einen Riesenschreck bekommen. Der Anstieg ist dramatisch", sagte Diakonie-Chef Heiko Naß gestern bei der Vorstellung der Wohnungslosenhilfe-Statistik der Diakonie Schleswig-Holstein in Kiel.

Ratsuchende Frauen erreichten mit 3.029 eine neue Höchstmarke. Brennpunkte der Wohnungslosigkeit sind nach wie vor die kreisfreien Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster. Auch das Hamburger Umland ist betroffen.

Hauptursache für die Entwicklung seien die rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten. "Menschen mit prekären Einkommensverhältnissen fällt es bei den hohen Kosten für Lebensmittel und Energie immer schwerer, über die Runden zu kommen", sagte Naß. Diese Menschen müssten oftmals 46 Prozent ihrer Einkünfte für Miete und Energie ausgeben. Das sei nicht tolerabel. "Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum."

Kathrin Kläschen von der Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie Schleswig-Holstein forderte eine deutliche Aufstockung des Bürgergeldsatzes um mindestens 100 Euro. "Wer schon vor dem Anstieg der Inflation kaum klargekommen ist, gerät jetzt erst recht in große Schwierigkeiten", betont sie. Außerdem müssten die in zahlreichen Kommunen viel zu niedrigen Mietobergrenzen für Wohngeldempfänger angepasst werden.

Die Coronapandemie habe den psychischen Druck in vielen Familien erhöht, hieß es. Trennungen seien die Folge. Frauen rutschten in den Leistungsbezug und könnten dann oft die Wohnungsmiete nicht mehr bezahlen. "Wir brauchen deshalb ein Sofortprogramm für Frauen mit frauenspezifischer Beratung wie in Kiel und Lübeck", sagte Naß.

Sabine Willert von der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Rendsburg-Eckernförde kritisierte, dass ein persönliches Gespräch mit dem Vermieter bei Zahlungsproblemen oft nicht mehr möglich sei. "Die Wohnungsgesellschaften sitzen in der Regel nicht mehr vor Ort, sind telefonisch nicht erreichbar und antworten nicht auf E-Mails", sagte Willert. Seien Mieter mit der Zahlung im Rückstand, komme es schneller zu einer Wohnungsräumung als früher. Bezahlbarer Wohnraum sei knapp, potenzielle neue Mieter ständen Schlange.

Um alle Menschen, die ihre Wohnung verlieren, unterbringen zu können, fordert die Diakonie von den Kommunen, landesweit ausreichend Notunterkünfte. Dabei sollten Mindeststandards eingehalten werden. Dazu gehören Einzelunterbringung, Kochmöglichkeiten, gute Anbindung an öffentliche Einrichtungen und den Nahverkehr und Barrierefreiheit. "Bislang befinden sich zahlreiche Notunterkünfte in einem beklagenswerten Zustand", sagte Naß.

Die Wohnungslosen-Statistik der Diakonie erfasst alle Menschen, die sich an die 35 Anlaufstellen der Diakonie in Schleswig-Holstein wenden. Dazu zählen Beratungsstellen, Tagestreffs und stationäre Hilfen. Alle in Schleswig-Holstein von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen werden durch die Statistik aber nicht erfasst.

EPD

Um alle Menschen, die ihre Wohnung verlieren, unterbringen zu können, fordert die Diakonie von den Kommunen, landesweit ausreichend Notunterkünfte. Dabei sollten Mindeststandards eingehalten werden. (Symbolfoto: Pixabay)