In Hamburg sind überdurchschnittlich viele Jugendliche von Obdachlosigkeit bedroht. Darauf hat die Stiftung Off Road Kids hingewiesen, die mit der Plattform "sofahopper.help" das bundesweit erste Online-Beratungsangebot für entkoppelte junge Menschen anbietet. "Traditionell hat Hamburg eine besonders hohe Anziehungskraft auf obdachlose Jugendliche", sagt Vorstandssprecher Markus Seidel dem Evangelischen Pressedienst (epd). 13 Prozent aller Hilfsanfragen kommen aktuell aus der Hansestadt. Um das Thema Straßenkinder bekannter zu machen, hat die Stiftung mit dem Außenwerber Ströer die bundesweite Werbedisplay-Kampagne "Was, wenn Dein Kind auf der Straße sitzt?" gestartet.
Immer mehr junge Menschen haben ernste Wohnprobleme: Im vergangenen Jahr registrierte die digitale Beratungsplattform 4.600 Anfragen – 86 Prozent mehr als im Vorjahr, hieß es. Als Folge von Coronapandemie und Energiekrise rechnet die Stiftung in diesem Jahr mit 6.000 Hilferufen und 50.000 Beratungsstunden – "so viele wie nie zuvor", sagt Seidel. Die Stiftung Off Road Kids hilft bundesweit Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen bis 27 Jahre, die von zuhause ausgerissen sind, bei Bekannten auf dem Sofa untergekommen sind oder bereits obdachlos sind. Neben der Online-Beratung gibt es Streetwork-Stationen in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Hamburg und Köln.
Die hilfesuchenden Jugendlichen stammen in der Regel aus zerrütteten Familienverhältnissen, waren mitunter Gewalt ausgesetzt oder "der Schritt in die selbständige Lebensführung kam erheblich zu früh", hieß es. Zudem fehlen sehr oft Schulabschlüsse. Armut könne eine familiäre Krise verschärfen, sei aber in Deutschland meist nicht der Auslöser für Jugendobdachlosigkeit. "Bei uns melden sich junge Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten", sagt Seidel. Bei Bedarf wird die Online-Beratung mit einer persönlichen Betreuung durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gekoppelt.
Seidel: "Je früher den Jugendlichen geholfen wird, desto weniger junge Menschen stranden in der tatsächlichen Obdachlosigkeit." In Hamburg kümmerten sich die Streetworkerinnen im vergangenen Jahr um 782 junge Menschen. Für 262 mussten neue Wohnmöglichkeiten gefunden werden, hieß es. Der extrem verknappte Wohnungsmarkt schlage bei benachteiligten jungen Menschen mit voller Wucht zu. Seidel: "Ohne professionelle Hilfe haben diese jungen Menschen nahezu keine Chance, Wohnraum zu finden."
Off Road Kids kümmert sich seit 1993 bundesweit um junge Obdachlose. Nach eigenen Angaben konnten seitdem knapp 10.000 junge Menschen erfolgreich in stabile Wohnverhältnisse vermittelt werden. Die Stiftung mit Sitz in Bad Dürrheim (Baden-Württemberg) finanziert sich in erster Linie aus Spendengeldern.
TEXT: EVELYN SANDER/EPD