HEMPELS Verkäufer im Café

Offene Tür

Sozialdienst mit erfolgreicher Arbeit – HEMPELS ist mehr als Straßenzeitung

Seine Post hatte er schon länger kaum noch gelesen. „Jeder Gang zum Briefkasten löste Panik aus“, sagt der 45-jährige HEMPELS-Verkäufer Gerd heute – Briefe landeten meist ungeöffnet in irgendeiner Ecke seiner kleinen Wohnung. Es war die panische Angst davor, mit unbezahlten Rechnungen konfrontiert zu werden. Stattdessen die trügerische Hoffnung, dass selbst Mahnungen einfach wieder aus der Welt verschwinden, solange sie ungelesen bleiben. „Man möchte sich verkriechen, hat kein Geld und sieht keine Lösung für seine Probleme“, so Gerd rückblickend. Hilfe fand der 45-Jährige, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, beim Sozialdienst von HEMPELS. Nachdem sein Energieversorger ihm zwischenzeitlich ein Jahr lang den Strom abgestellt hatte und der Berg offener Rechnungen aus Ratenkäufen und Telefonverträgen auf 8000 Euro angewachsen war, traute er sich endlich in das von Catharina Paulsen geführte Büro. „Vorher hätte ich gar nicht gewusst, wo es Hilfe geben könnte. Und es war ja auch immer die Angst da, dass man von Mitarbeitern weniger als Mensch denn nur als weiterer Fall wahrgenommen werden könnte“, so Gerd. Es ist eine der Stärken des Sozialdienstes, dass Betroffene ohne Berührungsängste in der Regel sofort in ein Beratungsgespräch einsteigen können. „Bei uns ist die Tür immer offen“, so Mitarbeiterin Paulsen über ihre niedrigschwellige Arbeit, dem einzigen Angebot dieser Art in der Landeshauptstadt. Wer um Hilfe nachfragt, muss Bezieher von Arbeitslosengeld II sein. Vor allem Menschen mit vielschichtigen sozialen Problemen soll geholfen werden, die von anderen Beratungseinrichtungen nicht erreicht werden. Menschen wie Gerd, der nie einen Beruf erlernt hat und lange Jahre von legalen wie illegalen Drogen abhängig war. „Ein großer Vorteil ist, dass hier unter einem Dach verschiedene Anlaufstellen von HEMPELS, dem Diakonischen Werk und der Evangelischen Stadtmission arbeiten“, sagt Paulsen. Man könne die Betroffenen so „schnell und direkt dort erreichen, wo sie sich täglich aufhalten“. Seit Herbst 2007 bietet der HEMPELS-Sozialdienst seine Unterstützung an, inzwischen von der Stadt Kiel finanziert und zuvor über Europäischer Sozialfond und Arge. 80 Frauen und Männer haben das Angebot bisher in Anspruch genommen, bei einem Drittel konnte die Arbeit bereits erfolgreich abgeschlossen werden. „Es dauert Monate und manchmal auch Jahre, bis man vorankommt“, so Catharina Paulsen, „viele Klienten sind psychisch nicht stabil.“ Sie arbeitet mit ihnen daran, sich zunächst mit der eigenen Situation auseinanderzusetzen und dann zu erlernen, wieder selbständig wirtschaften zu können. Mit Gläubigern setzt sie sich in Verbindung, spricht mit Energieversorgern, um Strom- oder Wassersperren rückgängig zu machen, verwaltet treuhänderisch Geld und begleitet ihre Klienten auch hin zu Schuldner- und Insolvenzberatungszentren, um in gerichtliche Insolvenzverfahren einsteigen zu können. Auch unser Verkäufer Gerd lässt inzwischen sein Geld über den Sozialdienst verwalten; demnächst will er eine Privatinsolvenz beantragen, um endgültig einen Neuanfang starten zu können. „Ich habe bereits einen anderen Umgang mit Geld erlernt“, sagt Gerd, „ich drehe jetzt jeden Cent um.“ Angst vor Briefen braucht er inzwischen auch nicht mehr zu haben. An ihn gerichtete Forderungen landen längst direkt beim Sozialdienst von HEMPELS. Keine Gläubigerpost kann mehr ungelesen in irgendeine dunkle Ecke wandern.

Helfen, um Menschen einen Neuanfang zu ermöglichen: Catharina Paulsen vom HEMPELS- Sozialdienst mit Klient. Foto: Dieter Suhr