Pflegende Angehörige in Schleswig-Holstein erhalten Experten zufolge zu wenig professionelle Hilfe. "Es fehlen besonders im ländlichen Raum Tages- und Kurzzeitpflegeplätze sowie eine ausreichende Versorgung durch ambulante Pflegedienste", sagte Nicole Knudsen vom Verein "wir pflegen SH" anlässlich der "Woche der pflegenden Angehörigen" ab dem 14. Oktober. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Pflegebedürftigen im Land um 65 Prozent gestiegen. Aktuell haben 160.000 Menschen in Schleswig-Holstein einen anerkannten Pflegegrad. 84 Prozent der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen gepflegt.
Anette Langner vom Forum Pflegegesellschaft bezeichnete die Gruppe der pflegenden Angehörigen als "größten ambulanten Pflegedienst", der aber die wenigste Unterstützung und Aufmerksamkeit bekomme. Angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels werde die Bedeutung dieser Gruppe künftig aber weiter steigen. "Es ist eine Illusion, dass wir nur genügend junge Menschen für den Pflegeberuf begeistern müssen, um den Bedarf zu decken. Bis 2030 brauchen wir in Schleswig-Holstein 9.000 zusätzliche Pflegekräfte. Das schaffen wir nicht", sagte Langner.
Sie wünsche sich deshalb von der Politik eine ehrliche, landesweite Bestandsaufnahme und Bedarfsplanung. Die Lösung sei der Aufbau einer "Caring Community" (Pflege-Gemeinschaft), in die neben der stationären und ambulanten Pflege auch pflegende Angehörige, Nachbarn und Ehrenamtliche eingebunden seien. Langner: "Wir brauchen da deutlich mehr Tempo, sonst wird das System bald vor nicht zu bewältigende Herausforderungen gestellt."
70 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Zweidrittel von ihnen sind zwischen 55 und 64 Jahre alt und damit im erwerbsfähigen Alter. Für die Pflege reduzierten sie oft ihre Arbeitszeit oder gäben ihren Job ganz auf, erklärte Langner. Das wiederum erhöhe das Armutsrisiko für diese Frauen, weil sie in dieser Zeit nicht in ihre Rente einzahlten. Sie brauchten Unterstützung, damit sie ihrem Beruf weiterhin nachgehen und sich auch mal eine Auszeit nehmen könnten, hieß es.
Die "Woche der pflegenden Angehörigen" vom 14. bis 20. Oktober soll mit Veranstaltungen auf die gesellschaftlich wichtige Arbeit der Angehörigen hinweisen. Das Programm ist unter diesem Link abrufbar. EPD