Die Universitäten Oldenburg und Groningen verzeichnen in einer aktuellen Studie einen starken Rückgang der Artenvielfalt im Wattenmeer. Das Forschungsteam habe die Tier- und Pflanzenpopulationen über mehr als 100 Jahre zurückverfolgt, teilte die Schutzstation Wattenmeer in Husum heute mit. Ein Viertel der Bestände habe demnach deutlich abgenommen. Betroffen seien verschiedene Organismengruppen, von Muscheln über Salzwiesenpflanzen bis zu Watt- und Wasservögeln.
"Ökosysteme unterliegen einem stetigen Wandel. Der allgegenwärtige Einfluss des Menschen beschleunigt diesen Wandel aber immer stärker und führt dazu, dass es unter dem Strich auch im Wattenmeer mehr Verlierer als Gewinner gibt", sagte Barbara Ganter, Biologin und Naturschutzexpertin der Schutzstation Wattenmeer. Ganze Artengruppen seien in nur wenigen Jahrzehnten stark zurückgegangen. Damit werde das ganze Ökosystem umorganisiert und seine Stabilität gefährdet.
Außerdem zeigten die Forschungsergebnisse, dass die Rückgänge nicht nur punktuell, sondern flächendeckend auftreten. "Wir benötigen mehr Gebiete, auf denen keine oder nur eine naturangepasste Nutzung im Wattenmeer stattfindet", sagte Ganter. So fordere die Schutzstation Wattenmeer, dass die Fischerei bis 2030 auf kontaktarme Netze umrüste und die Grundschleppnetzfischerei aus Meeresschutzgebieten verbannt werde. Die verschiedenen Vogelarten bräuchten auch an stark touristisch genutzten Küsten Rückzugsorte, um ungestört im Watt nach Nahrung zu suchen.
Es gebe jedoch auch Gewinner der Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte. Wärmeliebende Arten vermehren sich schneller im Wattenmeer, auch an den deutschen Küsten. So habe sich die Zahl der Löffler, eine Vogelart, im Wattenmeer innerhalb von 30 Jahren versechsfacht.
Insgesamt zeigten die Forschungsergebnisse, wie wichtig eine kontinuierliche Überwachung des Lebensraums Wattenmeer sei. "Ein vernetztes Online-Monitoring aller Wattenmeeranrainer würde Trends schneller offenbaren, bevor sie zu Krisen werden", erklärte Biologin Ganter.
Der Verein Schutzstation Wattenmeer ist seit 1962 aktiv. In Schleswig-Holstein betreut er zwei Drittel des Nationalparks und führt biologische Monitoring-Programme, wie Wattkartierungen und Vogelzählungen, durch. EPD