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Verbändebündnis: Deutschland steuert auf drastische Wohnungsnot zu

Schon die Vorgängerregierung hatte das Wohnen zur "sozialen Frage unserer Zeit" erklärt. Doch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wächst weiter. Verbände fordern 50 Milliarden Euro für einen Durchbruch beim Sozialwohnungsbau

Das Verbändebündnis "Soziales Wohnen" rechnet für dieses Jahr mit einem neuen Rekord beim Wohnungsmangel. Mit mehr als 700.000 fehlenden Wohnungen ist nach einer am Donnerstag, 12. Januar, in Berlin veröffentlichten Studie das höchste Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren zu erwarten. Bei Sozialwohnungen und bezahlbaren Mietwohnungen ist der Notstand demnach am größten. Hauptgründe sind den Erhebungen des Hannoveraner Pestel-Instituts und des Kieler Bauforschungsinstituts "Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen" zufolge die jüngste, kriegsbedingte Zuwanderung von Ukrainerinnen und Ukrainern sowie der Einbruch beim Wohnungsbau durch explodierende Baukosten. Pestel-Institutsleiter Matthias Günther sprach von einem "neuen Notstand beim Wohnen".

Das Bündnis, dem unter anderem der Deutsche Mieterbund, Verbände des Bauwesens und die IG Bauen-Agrar-Umwelt angehören, forderte die Politik auf, ein Sondervermögen "Soziales Wohnen" von 50 Milliarden Euro aufzulegen. Der Bund müsse davon mit zwei Dritteln den Hauptanteil übernehmen, den Rest die Länder, die für die Umsetzung zuständig sind. Im vergangenen Jahr seien statt der von der Ampel-Koalition angekündigten 100.000 Sozialwohnungen nur 20.000 fertiggestellt worden, kritisierte das Bündnis.

In den Ländern habe es eine "sehr unterschiedliche Bereitschaft und Unterstützung" bei der Förderung des Neubaus von Sozialwohnungen gegeben, sagte Günther. Bezogen auf die investierten Fördergelder liege Hamburg vorn, gefolgt von Bayern und Schleswig-Holstein. Auf dem drittletzten Platz unter allen Bundesländern liege Mecklenburg-Vorpommern. Vorn liegt Hamburg laut Studie auch in Bezug auf die im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 neu geschaffenen Mietwohnungen. Mecklenburg-Vorpommern belegt Rang fünf, Schleswig-Holstein Rang acht. Ebenfalls führend sei Hamburg mit seinem Bestand von 110 Sozialwohnungen je 1.000 Mieterhaushalte. Mecklenburg-Vorpommern weist weniger als zehn Sozialwohnungen je 1.000 Mieterhaushalte auf.

Günther und der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, betonten, auch ohne die hohe Zuwanderung von 2022 sei auf mittlere Sicht der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr dringend erforderlich, wie sie die Bundesregierung anstrebe. Die Zahl der Haushalte werde bis 2045 weiter steigen. Zudem würden wegen des Fachkräftemangels 300.000 bis 500.000 Zuwanderer jährlich benötigt.

Den Berechnungen des Kieler Bauforschungsinstituts zufolge sind die Baupreise zuletzt doppelt so stark gestiegen wie die Inflationsrate, die Ende vergangenen Jahres um die zehn Prozent betrug. In den Städten koste die Erstellung von einem Quadratmeter Wohnraum im Durchschnitt 4.900 Euro. Damit bezahlbarer Wohnraum entstehe, müsse der Staat den Bau mit 2.100 Euro pro Quadratmeter subventionieren. Andernfalls liegen die Mieten, je nach energetischem Standard, deutlich über 20 Euro pro Quadratmeter. Das Bündnis fordert auch eine Senkung der Mehrwertsteuer für den Sozialwohnungsbau von 19 auf sieben Prozent.

Die Bündnispartner betonten, in diesem Jahr gehe es vor allem darum zu verhindern, dass der Sozialwohnungsbau völlig zum Erliegen komme. Von elf Millionen Mieterhaushalten, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, habe nur jeder zehnte Haushalt die Chance, auch eine zu bekommen. Nach dem Willen der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP sollen pro Jahr 100.000 Sozialwohnungen und insgesamt 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. Die Ziele wurden im vergangenen Jahr nicht erreicht, wie Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) einräumen musste, sie will aber an ihnen festhalten. Der Bund stellt den Ländern bis 2026 insgesamt rund 14,5 Milliarden Euro für den Wohnungsbau zur Verfügung.

EPD

700.000 fehlende Wohnungen – ein Rekord beim Wohnungsmangel: Damit rechnet das Verbändebündnis "Soziales Wohnen" für dieses Jahr. (Symbolfoto: Pixabay)