HEMPELS Verkäufer im Café

Zunahme häuslicher Gewalt befürchtet

Bislang aber noch keine belastbaren Zahlen, wie eine HEMPELS-Recherche ergibt

TEXT: PETER BRANDHORST

Fachleute befürchten, dass die Anzahl von häuslicher Gewalt betroffener Kinder und Frauen überall stark angestiegen sein könnte während der durch die Corona-Pandemie bestimmten Zeit der Kontaktsperren, in der Familienhelferinnen und -helfer kaum noch Zugang zu gefährdeten Familien hatten. Mit konkreten Fallzahlen belegen lässt sich diese Befürchtung zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht. Das gilt auch für Schleswig-Holstein, wie Ende Mai eine HEMPELS-Recherche ergab. Eine Tendenz scheint aber erkennbar.

Irene Johns, Landesvorsitzende vom Kinderschutzbund Schleswig-Holstein, verweist auf die reduzierte soziale Aufmerksamkeit während der Kontaktsperren. Gewalt habe über etliche Wochen nicht wahrgenommen werden können, "weil der Blick dafür fehlte; das sagen auch die Jugendämter". Seit etwa Mitte Mai stelle man aber eine steigende Zahl von Gewalt-Meldungen gegen Kinder fest. Betroffen seien gesellschaftliche Milieus "querbeet, aber insbesondere mit psycho-sozialen Problemen belastete Menschen und solche, die wirtschaftliche Not haben".

Im April seien die Kontaktaufnahmen über die bundesweiten Elterntelefone um 50 Prozent gestiegen gegenüber dem Vorjahresmonat, im März war es bereits ein Anstieg von 20 Prozent. "Positiv daran ist", so Johns, "dass viele sich Hilfe holen wollten beispielsweise bei Problemen in Fragen Homeschooling. Aber etwa zehn Prozent der Anrufe sind dem Umfeld von Gewalt zuzuordnen".

Im Kieler Innenministerium heißt es, man könne momentan "lediglich eine Tendenz mitteilen". Zwar würden die Fallzahlen von häuslicher Gewalt seit Anfang März weiterhin auf niedrigem Niveau stagnieren. Jedoch "muss man auch beachten, dass das Anzeigeverhalten derzeit aufgrund der besonderen Situation durch weniger Sozialkontrolle (Freunde, Verwandte, Ärzte, Betreuer etc.) beeinflusst wird". Es sei deshalb "davon auszugehen, dass der Umfang der Betroffenheit durch die jetzt wieder mögliche persönliche Beratung deutlicher werden wird".

Das Innenministerium verweist auf "ein dichtes Netzwerk an Beratungsangeboten für alle, die Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt geworden sind oder davon bedroht sind". Kontaktmöglichkeiten unter: www.lfsh.de/beratungsstellen Nach Ausbruch der Pandemie war von der damaligen Justizministerin und jetzigen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack zudem eine "Nummer gegen Gewalt" (04 31 – 260 976 48) initiiert worden, die Männer und Frauen unterstützen soll, nicht selbst gewalttätig zu werden, Aufgrund der "Kürze der Laufzeit" könne man aber noch keine belastbaren Informationen zur Anzahl der Kontaktaufnahmen geben. Das Innenministerium verweist jedoch auf das Bundeshilfetelefon für Frauen, bei dem in den vergangenen Corona-Monaten 17,5 Prozent mehr Anfragen eingingen als im Vorjahreszeitraum.

Die Zahl der Frauen, die in einem der landesweit 16 Frauenhäuser einen Schutzplatz suchen, habe sich während der Corona-Krise hingegen "nicht wesentlich verändert". Allerdings seien befristet bis Ende 2020 zu den insgesamt 349 vorhandenen Plätzen Landesmittel für bis zu 16 weitere Plätze zur Verfügung gestellt worden. Auch sei die Finanzierung von Ausweichquartieren möglich.

Fachleute befürchten, dass während der Corona-Krise die häusliche Gewalt gegen Kinder und Frauen zugenommen hat. (Symbolfoto: Pixabay)